China aus anderen Perspektiven kennen
ChinaCard Event: Der Frankfurter Sinologenstammtisch am 12. Juli 2006
- Besuch der Photoausstellung "Humanism in China" im MMK

Photogalerie

  Führung mit Frau Zhou durch die Ausstellung
Medizinische Behandlung auf dem Land
  Weitere Diskussion in einem Apfelweinlokal

Am 12. Juli 2006 hat der Frankfurter Sinologenstammtisch zum ersten Mal einen Ausstellungsbesuch organisiert: Wir besuchten die chinesische Photoausstellung "Humanism in China - Ein fotografisches Portrait" im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt.

Das Interesse an dieser Ausstellung war über unsere Erwartungen groß: Angemeldet waren 25 Personen, gekommen sind aber knapp 40. Gleich viele Chinesen wie an China interessierte Deutsche haben an dieser Veranstaltung teilgenommen. Aufgrund ihrer ausdrucksreichen Bildsprache und eigener Lebenserfahrungen hat Frau Huili Zhou, gebürtige Shanghaierin, den Besuchern bei ihrer Führung durch die Ausstellung vieles zeigen können. Mit 590 Dokumentaraufnahmen chinesischer Fotografen aus den vergangenen fünf Jahrzehnten umspannt die Ausstellung vier große Themenbereiche: Existenz, Beziehung, Begehren und Zeit.

Die Teilnehmer waren von den Bildern stark beeindruckt. Auch beim anschließenden gemeinsamen Essen in einem deutschen Lokal am Römer wurden die Diskussionen über den kulturellen und sozialen Umbruch in China noch intensiv weiter geführt.

Diese Veranstaltung wurde vom China Kultur- und Wirtschafts-Service (CKWS) mitorganisiert, der im Vorfeld die Kosten für die Sonderführung übernommen hat.

Nach Absprache mit den Teilnehmern am Sinologenstammtisch möchten wir hier in diesem Newsletter einige Stimmen zu unserem Ausstellungsbesuch zu Wort kommen lassen. Auch eine Photogalerie haben wir für Sie eingerichtet. Für so eine schöne und eindrucksvolle Ausstellung hat sich die Arbeit auf alle Fälle gelohnt.

Photogalerie für den Besuch der Photoausstellung "Humanism in China"

Meinungen von Teilnehmern zur Photoausstellung „Humanism in China“
(Alphabetisch nach Nachnamen sortiert)

That was a fantastic exhibition! I had a trip down the memory lane to the life time I lived in China. Although most of the pictures represent the common life of low-end Chinese, it is interesting for foreigners to see them while news about unrelenting development of China are pervading the media at the moment.

  Shan Chen

Die Ausstellung hat mir sehr gut gefallen. Die Fotos aus den letzten 50 Jahren von unterschiedlichen Fotografen spiegeln den Entwicklungsprozess sowie die Realität in China wider. Besonders beeindruckend finde ich die Fotos über Umweltverschmutzung, Kapitalismus, schlechte Lebensbedingungen in Städten und harte körperliche Arbeit, über die ich nach der Ausstellung noch sehr lange nachdenken musste. Aber bedauerlicherweise fehlten ein Paar Bilder über die Unterschiede zwischen Reichen und Armen, zwischen Stadtbewohnern und Bauern und zwischen Osten und Westen.

  Zhaoxia Chen

Die Ausstellung war super und ist mit Sicherheit ein Besuch wert! Hier sieht man die ganz normalen Leute von der Straße aus ganz China. Am meisten beeindruckt hat mich ein Foto ein Mannes, der auf einem Wagen sitzt, der von einem Maulesel gezogen wird, neben ihm fährt ein Minibus und durch die Luft fliegt ein großes Flugzeug! Eine geniale Momentaufnahme, die nicht besser den gegenwärtigen Alltag in China wieder spiegeln könnte.

  Heddy Fuchs

L'exposition est fort intéressante et vaut d'être visitée plusieurs fois.
Le temps n'étant pas suffisant et le groupe étant un peu gros, cela aurait été une bonne idée d'en faire deux visites avec des accents différents.
总之来说,我们都挺满意,谢谢你的组织!

  Duc-Henry Le

Ich fand die Ausstellung sehr bewegend. Die Fotografien wurden ja von Amateuren aufgenommen, und sie haben fotografiert, was ihnen selbst wichtig ist: es sind die Geschichten der Menschen, die im Vordergrund stehen. Diese Geschichten kann man durch die Fotos sehr unmittelbar miterleben - auch dank der Erläuterungen unserer wunderbaren Führerin, Frau Huili Zhou. Vielen Dank für den interessanten und schönen Abend!

  Suzu Pahlke

Es ist eine nette Veranstaltung mit vielen beeindruckenden Bildern. Die Bilder zeigen uns, wie das normale Leben in China ist. Selbst als Chinesin finde ich es auch ziemlich interessant.

  Peng Pan

Die Photos aus der Ausstellung "Humanismus in China" geben die schrecklichen Lebensbedingungen der Massen in China wieder. Man muss sich auch dies vor Augen führen, wenn man vom heutigen China spricht.
Die Nachrichten vom Wirtschaftswachstum in China und die Bilder der Skyline von Pudong passen so gar nicht in diese Realität. Ich wundere mich, dass die staatliche Zensur diese Bilder freigegeben hatte.

  Detlev Prechtl

Sehr schöne Ausstellung!
Gut arrangiert und sortiert, dokumentiert und verdeutlicht sie die wichtigsten Bereiche von "Humanism in China" auf brutale, rührende und komische Weise.
Die Führung von Frau Zhou hat einzelne Hintergründe nochmals aufgezeigt und erläutert.

  Shau Chung Shin

Wunderbare Fotografien, fantastisch erklärt - Hen hao!
Diese Ausstellung zeigt einen faszinierenden Einblick in einen Teil chinesischer Geschichte und Lebenskultur, der sonst über die Medien leider viel zu selten kommuniziert wird. Abseits vom Wirtschaftswunderland präsentiert sich dem Betrachter ein realistisches Bild ohne jegliche Beschönigung. Als jemand, der in der DDR aufgewachsen ist, weiß ich wie es ist, wenn ein Volk versucht, über Nacht Jahrzehnte wirtschaftlicher, technischer und politischer Entwicklung aufzuholen. Bei allem Streben in die Zukunft und nach westlichen Werten sollte die Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten.

  Christiane Walther

中国人本 - 非常感人 !它生动地表现了中国人五十年来追求幸福的心迹。Die Ausstellung war so realistisch dargestellt, dass sie auf uns fast einen irrealistischen oder surrealistischen Eindruck machte. Außerdem ist sie für mich die erste künstlerisch mit internationaler Metasprache und Perspektive konzipierte Fotoausstellung, die den eigenen chinesischen Blickwinkel überwindet. Leider verstehen doch einige unsere Landsleute ihr eigenes Land so wenig und haben sich anscheinend nie Gedanken über eigene Kultur gemacht.

  Christiane Walther
   
Als Führerin durch die Fotoausstellung „Humanism in China“
Huili Zhou


Huili Zhou
Als meine Freundin Xueqing mich anrief und mir erzählte, dass eine Fotoausstel-lung über China im MMK stattfinden werde, war ich voller Begeisterung: Das Mu-seum für Moderne Kunst, einer der schönsten Plätze für die Begegnung mit der Belle Art in Frankfurt am Main, steht nun offen für China! Ein wenig später, als Frau Tina Guthknecht, die Assistentin des Museumsdirektors Udo Kittelmann, mir die im Ausstellungskatalog abgedruckten Fotos vorab zeigte, wurde ich sprach-los: Das sind Alltagsfotos von einfachen Chinesen, in den Städten, auf dem Land, in der Masse, bei schweren Arbeiten, oder einfach nur beim Essen und Schlafen ... Straßenszenen ... schwarz und weiß ... Schnappschüsse ... in meinen Augen weder „modern“, noch „kunstvoll“! Ich dachte mir: Ich reise fast jedes Jahr durch China. Meine China-Alben sehen ganz anders aus. Meine Fotos sind viel „moder-ner“ und „schöner“...

Ich hatte dann die Aufgabe und somit das Vergnügen, mich mit den 14 chinesi-schen Texten auseinanderzusetzen, die im Ausstellungskatalog als Vorworte und zum Verständnis der Fotos abgedruckt worden waren, die für die Ausstellungen in 5 wichtigen deutschen Museen ins Deutsche übersetzt werden mussten. Beim Durchlesen dieser Texte fühlte ich mich ertappt: „Seit langer Zeit haben sich die Menschen daran gewöhnt, dass man ‚schöne‘ Fotos braucht, um die Wirklichkeit zu verschönen oder zu überdecken.“ (Deng, Qiyao: „Historische Bildauszeichnun-gen des Menschen“; Textband S. 22.)

Durch diese 14 Texte gewann ich Verständnis für die Ausstellung und für die Do-kumentarfotografie. Ich erkannte auch die künstlerische Absicht der Kuratoren: In diesen Fotos sollten die normalen Menschen und das menschliche Dasein in den Mittelpunkt unseres Blickwinkels gerückt werden – eine künstlerische und zugleich chinesische Art, das Menschenrecht zu verteidigen.

Auf meine Frage hin, ob so viele „graue“ Bilder von China für eine Ausstellung im Ausland geeignet wären, versicherten mir die beiden bei der Eröffnung der Aus-stellung im MMK anwesenden Kuratoren (Wang, Huangsheng, Direktor des Guangdong Museum of Art, und Hu, Wugong, einer der berühmtesten Fotografen Chinas), dass die Ausstellungsfotos durchaus positiv seien, weil sie keine Falsch-heit, keine Verschönerung zeigen und keinem Propagandazweck dienen. Sie bringen das neu gewonnene Selbstbewusstsein der Chinesen zum Ausdruck, ei-gener Realität einschließlich eigener Schwäche ins Auge sehen zu können. Viele chinesische Ausstellungsbesucher, insbesondere die älteren, empfinden die Fotos als sehr lebensnah und der Realität entsprechend. Manche jüngeren Städter kön-nen jedoch „ihr China“ nicht in den Ausstellungsfotos wiedererkennen.

Die Begeisterung für China ist bei den deutschen Ausstellungsbesuchern groß. Die meisten von ihnen sind jedoch überrascht und zugleich gerührt, dass das Le-ben in China und die Fotos so „hart“ sind. „Gibt es in China auch modernere Fab-riken?“ „Darf man mehr als ein Kind haben?“ „Können Sie bitte mehr über die gebundenen Füße der Frauen erzählen?“ In meinen Führungen sind Fragen je-derzeit erlaubt und ich beantworte sie alle stets nach meinem besten Wissen und Gewissen. Andere Fragen treiben mir den Schweiß auf die Stirn: „Warum sind die Buddha-Figuren in China so dick und haben einen so dicken Bauch, während sie in den anderen asiatischen Ländern viel dünner sind? Der Buddha selbst war auch nicht dick!“ Darüber machte ich mir erstmals beim Beantworten dieser Frage Gedanken. „Ist Mao nicht ein großer Führer, der China vereinigt und so viel Gutes für die Chinesen getan hat?“ Solche Fragen konnte ich leider nicht mit zwei, drei Sätzen schnell beantworten.

Wenn ich vor deutschem Publikum stehe, den Menschen Fotos zeige und erkläre, taucht ein Satz oftmals unwillkürlich in meinen Gedanken auf: „Eine alltägliche Handlung eines Chinesen könnte für einen Außenstehenden bereits so unver-ständlich sein, dass ihm diese wie eine künstlerische Performance vorkommt.“ (Yan, Wendou: „Die Fahne der Menschlichkeit hoch halten“, Textband S. 47, aus dem Ausstellungskatalog „Humanism in China – Ein fotografisches Portrait“. Er-hältlich an der Museumskasse für € 35.) Wie wahr! Denn welche Europäer wür-den in einer Börse vor der elektronischen Anzeigetafel der Aktienkurse Tai Chi üben? Welche normale Menschen hier würden tagsüber auf der offenen Straße schlafen, duschen, pinkeln, oder sich medizinisch behandeln lassen?

Für die deutschen Besucher bedeutet die Fotoausstellung „Humanism in China“ eine Chance, China kennenzulernen oder besser kennenzulernen. An die chinesi-schen Besucher stellen die Ausstellungsfotos die Aufforderung, die Mitmenschen mit mehr innerer Anteilnahme wahrzunehmen.

Allen Besuchern, die ich durch die Ausstellung führen durfte, möchte ich hiermit danken!

Frankfurt/M., 15. Juli 2006

Informationen:

Über die Autorin:
Frau Huili Zhou kam 1989 aus Shanghai zum Studium nach Deutschland. An der Tongji-Universität in Shanghai und an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat Sie Germanistik, Amerikanistik und BWL studiert. Seit einigen Jahren arbeitet sie in einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei in Frankfurt. Ihrem tief verwurzelten Interesse für die Kultur und Kunst bleibt sie jedoch durch ihre Freizeitengagements treu.
Für Frau Zhou ist es besonders wichtig, dass die Deutschen und die Chinesen Verständnis für einander haben und zusammenarbeiten. Daher wirkt sie aktiv bei unterschiedlichen kulturellen und wirtschaftlichen Veranstaltungen mit, die die Kommunikation zwischen den beiden Völkern fördern.

Museum für Moderne Kunst

Domstraße 10
60311 Frankfurt/M.
Tel.: (069) 212 304 47
Fax: (069) 212 378 82
E-Mail: mmk@stadt-frankfurt.de
Internet: www.mmk-frankfurt.de

Weitere Führungstermine:
22.07.06 11:00 Uhr / 30.7.06 15:00 Uhr / 06.08.06 15:00 Uhr /
12.08.06 11:00 Uhr / 20.08.06 15:00 Uhr / 26.08.06 11:00 Uhr